Bassflöte (1)
Bezugsquelle/Partitur: Ricordi Berlin
Beschreibung
"„La musique souvent me prend comme une mer! – Die Musik erfaßt mich oft wie ein Meer!“ So Baudelaire in einem der Gedichte (LXIX. La Musique) seines Hauptwerks „Les Fleurs du Mal“. Voller Geheimnisse und für unsere sinnliche Wahrnehmung unermesslich wie ein Meer mag dem heutigen Hörer auch die Musik Olga Neuwirths erscheinen. Den abgründigen Thematiken ihrer Werke entsprechen im Musikalischen feinste labyrinthische Verästelungen in der klanglichen wie rhythmischen Realisation. Dies geschieht oftmals in Verbindung mit extremen Spieltechniken, mittels derer physische wie psychische Grenzbereiche durchschritten werden. Zentrales Motiv für ihr Interesse an diesen instrumentalen Randbereichen ist nicht etwa die sinnfällige Verdeutlichung der Produktionsbedingungen von Musik und die damit verbundene Suche nach einer bis dato unerhörten Schönheit im emphatischen Sinne wie in Lachenmanns „musique concrète instrumentale“. Vielmehr wird hier eine (übrigens im Umgang mit elektronischer Musik besonders geschulte) undomestizierte, abseitige Klangphantasie wirksam, die darauf abzielt, durch präzis auskomponierte Klang- und Geräuschvermischungen bzw. -verfremdungen die instrumentale Herkunft der Klänge zu verschleiern. Die solcherart beim Zuhörer entstehenden Irritationen verleiten zu äußerst gespannter Aufmerksamkeit, hochsensibler Wahrnehmung, neuem Hören.
In den wenigen Solo-Kompositionen Neuwirths bedient sie sich ausgiebig der instrumentalen Verfremdungstechniken. So auch in ihrem etwa achtminütigen „Spleen II“ für Bassflöte (1999) (etwa fünf Jahre zuvor entstand „Spleen“ für Bassklarinette). Inspiriert von Charles Baudelaires „Les Fleurs du Mal“, dessen erster Teil mit „Spleen et Idéal“ überschrieben ist und vier Gedichte (LXXV, LXXVI, LXXVII, LXXVIII) mit dem Titel „Spleen“ (frz. Schwermut, Lebensüberdruss) enthält, wird man wohl dessen letztes am ehesten mit der von unheimlichen Fabelwesen und wuchernden Schlingpflanzen bevölkerten musikalischen Welt Neuwirths in Verbindung bringen. Im vierten der „Spleen“-Gedichte ist es die Hoffnung, die „wie eine Fledermaus, mit scheuem Flügel die Mauern entlang streicht und mit dem Kopf an fauliges Gebälk stößt“, es naht ein „stummes Volk verruchter Spinnen“, um „in unsern Hirnen seine Netze auszuspannen“, und „lange Leichenwagen, ohne Trommeln und Musik, ziehen in meiner Seele langsam vorbei“."
Michael Zwenzner (Werkkommentar, Ricordi Berlin), abgerfuen am 28.06.2021 [https://www.ricordi.com/de-DE/Catalogue.aspx/details/441620]
Uraufführung
20. März 1999 - Frankfurt am Main (Deutschland)
Aufnahme
Titel: Spleen II Olga Neuwirth
Plattform: YouTube
Herausgeber: Matthias Kronsteiner
Datum: 27.06.2012
Mitwirkende: Thomas Frey (Bassflöte)
Titel: OLGA NEUWIRTH SPLEEN II
Plattform: YouTube
Herausgeber: arno steinwider
Datum: 21.08.2014
Mitwirkende: Arno Steinwider (Bassflöte)
Weitere Informationen: Live-Mitschnitt vom European Flute Festival Frankfurt
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 1. 7. 2021): Neuwirth Olga . Spleen II. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/179704 (Abrufdatum: 24. 12. 2024).